Sterbefasten ist eine alt-ehrwürdige Methode sein Leben selbstbestimmt, würdevoll und auf humane Weise zu beenden. Menschen und Tiere tun dies seit Jahrmillionen. Leider ist dies in unserer Zeit in Vergessenheit geraten, weil das Sterben überwiegend außerhalb des familiären Umfeldes stattfindet.
Es gehört zum natürlichen Sterbeprozess, dass häufig zunächst die Nahrungs- und später auch die Flüssigkeitsaufnahme reduziert und dann ganz eingestellt wird. Die Aufnahme von auch nur geringen Mengen Flüssigkeit, beispielsweise bei der Medikamenteneinnahme, verzögert das Sterben und kann bei künstlicher Flüssigkeitszufuhr sogar zu zusätzlichen Beschwerden führen.
Wer schon mal gefastet hat, weiß, dass der Hunger nach wenigen Tagen aufhört. Eine Fastenregel besagt, dass man erst wieder anfangen sollte zu essen, wenn der Hunger zurückkommt, das kann aber einige Wochen dauern. Solange weiterhin getrunken wird, sind keine bleibenden Schäden zu erwarten. Bei längerem Fasten schüttet der Körper Endorphine aus, was das Hungern erträglicher macht und zu euphorischen Gefühlszuständen führen kann.
Wer jedoch sterben will, stellt auch die Flüssigkeitszufuhr ein, spült aber regelmäßig den Mund aus, um keinen Durst zu leiden. Diese Art, das Sterben zu beschleunigen, kann im Unterschied zu anderen Suizidmethoden während der ersten Zeit abgebrochen werden, ohne bleibende Folgen befürchten zu müssen. Bei konsequenter Durchführung ist – abhängig von Konstitution und Grunderkrankung – in fast drei Vierteln der Fälle innerhalb von 14 Tagen mit dem Tod zu rechnen. Durch die Austrocknung haben die Nieren zu wenig Flüssigkeit, um ihre Ausscheidungsfunktion aufrechtzuerhalten. Es kommt zum akuten Nierenversagen mit einer Erhöhung des Harnstoffs im Blut, was mit der Zeit schläfrig macht. Der Tod tritt dann in der Regel im Schlaf durch Herzstillstand ein.
Empirischen Untersuchungen zufolge ist der Verzicht auf Essen und Trinken bei Sterbenden in der Regel nicht leidvoll, ein längerer Sterbeprozess kann aber zu einer Belastung für Betroffene sowie auch für deren Angehörige bzw. Nahestehende und Pflegende werden.
Der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) bedeutet, dass der Sterbewillige Essen und Trinken ablehnt, es darf ihm oder ihr aber nicht vorenthalten werden. Somit liegt die „Tatherrschaft“ bei der sterbewilligen Person.
Häufig wird behauptet, dass dabei die so genannte GarantenpflichtGarantenpflichtGarantenpflicht bezeichnet im Strafrecht die Pflicht, dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatbestandlicher „Erfolg“ nicht eintritt. Sie ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Unterlassens, soweit es sich um ein sogenanntes unechtes Unterlassungsdelikt handelt. Die verpflichtete Person heißt Garant. Wikipedia zum Tragen kommt, die verlangt, dass bei einer bewusstlosen Person sofort Hilfe zu leisten ist. Wenn ein Suizident das Bewusstsein verliert, liegt nach Meinung des Bundesgerichtshofs ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB vor. Das kann aber vernünftigerweise nur beim Auffinden einer bewusstlosen Person angenommen werden, wo die Ursache und Umstände nicht bekannt sind.
Um größere Sicherheit zu haben, empfiehlt es sich, vorsorglich Vertrauenspersonen (Angehörige und Nahestehende) in den Plan einzuweihen und sich deren Unterstützung zu versichern. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte zusätzlich eine Patientenverfügung oder einen Notfallbogen ausfüllen und/oder das Dokument „Modifizierung der Garantenpflicht“ nutzen, um die begleitenden Personen zu schützen und den eigenen Willen zu dokumentieren.
Auch kann es hilfreich sein, einen Arzt des Vertrauens um die palliativmedizinische Begleitung zu bitten. Da der Arzt mit seinen Beiträgen nicht hilft, das Sterben herbeizuführen, sondern nur eventuelles Leiden lindert und für das Wohl des Patienten sorgt, handelt er im Einklang mit seiner Standesethik und macht sich nicht strafbar. Ärzten ist es jedoch freigestellt, ob sie es mit ihren eigenen ethischen Grundsätzen in Einklang sehen, dabei zu helfen oder nicht.
Im Zweifel kann auch abgewartet werden, ob Beschwerden einsetzen, bei denen die palliativmedizinische Unterstützung eines Arztes wünschenswert ist und ihn erst dann rufen. Dann kann dem Arzt nicht unterstellt werden, er wäre in der Absicht tätig, eine Selbsttötung zu fördern. Allerdings dürfte es für den Arzt dann schwer sein, die Situation richtig einzuschätzen und evtl. auf die sofortige Einweisung ins Krankenhaus zu bestehen. Da hilft eine strikte Patientenverfügung, wie die hier angebotene. – Autor: Frank Spade
2009 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, dass Patientenverfügungen befolgt werden müssen, wenn sie auf die aktuelle Situation zutreffen und konkrete Anweisungen enthalten. Letzteres wurde 2016 in einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHBGHBundesgerichtshof) in Erinnerung gebracht. Eigentlich also nichts Neues, aber wer liest schon ein Gesetz, bevor er eine Patientenverfügung aufsetzt, zumal im Internet unzählige Angebote zu finden sind, die es scheinbar leichter machen. Tatsächlich gibt es aber erhebliche Unterschiede, was die Reichweite von Patientenverfügungen betrifft, d. h., in welchen Situationen sie beachtet werden muss. Zudem wurde festgelegt, dass Patientenverfügungen unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung zu beachten sind.
Eine Patientenverfügung wird erst benötigt, wenn der eigene Willen nicht mehr kommuniziert werden kann. Selbst wenn das noch geht, fällt es vielen schwer zu entscheiden, auf welche Behandlung sie lieber verzichten wollen, weil die Konsequenzen nicht vollumfänglich bekannt sind oder verstanden werden.
Die allermeisten Patientenverfügungsvorlagen orientieren sich an den Empfehlungen des Bundesjustizministeriums (BMJBMJBundesministerium der Justiz) von 2004, die in ihrer Reichweitenvorgabe sehr eingeschränkt waren und leider heute noch sind, obwohl das Gesetz von 2009 weitergehende Festlegungen zulässt. Es gibt einige andere Angebote, die zulassen, die Reichweite enger oder weiter zu fassen. Das Spektrum geht dabei von Lebensschutz bis Sterbehilfe, wobei die meisten Angebote irgendwo dazwischen liegen.
Den größten Lebensschutz dürfte zurzeit jemand haben, der keine Patientenverfügung, aber eine gute Krankenversicherung hat, dann kann erwartet werden, dass alles getan wird, um das Sterben zu verhindern bzw. hinauszuzögern.
Dem am nächsten kommt die sogenannte Christliche Patientenvorsorge, deren Vorgabe die Ablehnung lebenserhaltender Maßnahmen nur im unabwendbaren, unmittelbaren Sterbeprozess oder Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Erkrankung vorsieht. In einer solchen Situation, würde ein ethisch handelnder Arzt aber sowieso nichts mehr tun, um das Sterben zu verhindern, denn es ist ja bereits »unabwendbar«, bzw. der Patient ist »austherapiertaustherapiertÄrztliche Diagnose, die besagt, dass eine Genesung therapeutisch nicht mehr zu erwarten ist. Als Konsequenz sollte dann eine palliativmedizinische Behandlung folgen, die Leidlinderung als vorrangiges Ziel verfolgt.«. Hier muss man fragen dürfen: Wem nützt es, dass in aussichtslosen Fällen, eine Sterbeverzögerung durch diese „Patientenvorsorge“ legitimiert erscheint?
Am anderen Ende des Spektrums sind die beiden Patientenverfügungsmodelle des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD). Deren Standard-Patientenverfügung hat die Wahlmöglichkeiten erheblich über die Vorgaben des BMJ hinaus erweitert. Zudem wird eine kostenlose Beratung angeboten sowie die qualifizierte Erstellung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten. Die Erstellung einer Standard-Patientenverfügung kostet 60 Euro. Alternativ bietet der HVD eine sogenannte Optimale Patientenverfügung an, die als die bessere Patientenverfügung beworben wird, aber 160 Euro kostet. Unverständlich ist, warum eine humanistische Organisation zwei konkurrierende Patientenverfügungen anbietet und so viel Geld dafür verlangt. Konsequenter und humanistischer wäre es, beide in einer Version zu vereinen, wie wir es hier getan haben.
Die Wahlmöglichkeiten gehen sogar so weit, dass lebensverlängernde Maßnahmen bei Schwerstpflegebedürftigkeit ausgeschlossen werden können und/oder die Behandlung bei schwerer Hirnverletzung zeitlich begrenzt werden kann. Außerdem ist es möglich, Wiederbelebungsmaßnahmen bei Herz-/Kreislaufstillstand absolut auszuschließen.
Wer noch am Leben teilhaben und sich selbständig bewegen kann, schließt dadurch eine Wiederbelebung zunächst nicht aus, denn die Patientenverfügung liegt meist Zuhause, was auch gut so ist, denn wer noch unterwegs sein kann, will höchstwahrscheinlich noch leben. Wenn aber nach einer fehlgeschlagenen Wiederbelebung, bei Nichteinwilligungsfähigkeit, die Verfügung zur Kenntnis gelangt, muss die weitere Behandlung eingestellt werden. Dann kann an einer Erkrankung natürlich verstorben werden, so wie es die Großeltern und alle Generationen davor noch mussten (oder durften), weil die Medizin noch nicht anders konnte.
Anders ist es, wenn man bereits pflegebedürftig ist und in einer Pflegeeinrichtung betreut wird. Dann sollte der Inhalt der Patientenverfügung bekannt sein und eine Kopie in der Pflegeakte liegen. Wenn die Verfügung dies klar zum Ausdruck bringt, kann der behandelnde Arzt Pflegende darauf hinweisen, dass nun auf keinen Fall mehr wiederbelebt werden soll. Dazu kann in der Verfügung auch die Benachrichtigung eines Notarztes ausgeschlossen werden. Stattdessen sollten dann Haus- oder BereitschaftsarztHaus- oder Bereitschaftsarztdenn ein Notarzt müsste unverzüglich wiederbeleben und hätte keine Zeit eine Patientenverfügung zu prüfen gerufen werden.
Pflegeeinrichtungen könnten nicht bereit sein, das dann zu respektieren. Vorgeschoben wird die Angst wegen unterlassener Hilfeleistung belangt zu werden, was aber bei einer auf die Situation passenden, konkreten Patientenverfügung nicht der Fall wäre. Eine Behandlung gegen den Willen der betroffenen Person ist dagegen als Körperverletzung strafbar, was leider die wenigsten wissen. Darum ist es hilfreich, wenn der behandelnde Arzt in einer vorausschauenden Notfallplanung entsprechende Anweisungen schriftlich dokumentiert hat.
Leider gibt es bisher keine glaubwürdige Instanz, die die Qualität angebotener Patientenverfügungen vergleicht und beurteilt. Unglücklicherweise hat sich die für sowas prädestinierte Stiftung Warentest selbst disqualifiziert, indem sie eine eigene Patientenverfügung herausgegeben hat und damit versucht Geld einzunehmen. Bei einem Vergleich würde deutlich werden, dass ihre eigene nicht über die Empfehlungen des BMJ hinausgeht, dafür aber die möglichen Festlegungen teilweise unnötig verkompliziert.
Das macht die Situation für einen Vorsorgewilligen natürlich nicht einfacher. Naheliegend wäre, sich von einem Arzt beraten zu lassen, doch dürfte auch diesem der Überblick fehlen oder die Kenntnisse und Bereitschaft, eine individuelle Patientenverfügung zu erstellen, denn die Beratung zur Patientenverfügung ist keine kassenärztliche Leistung. Da das Ziel einer Patientenverfügung das Zulassen eines natürlichen Sterbens ist, könnte ein Arzt zudem in einen Gewissenskonflikt kommen, wenn er möglicherweise seine Aufgabe vorrangig in der Lebenserhaltung sieht.
Da Ärzte mit Sterbeverhinderung viel Geld einnehmen können, kann dies zu einem Interessenskonflikt führen, der in der Qualität der Patientenverfügung zum Ausdruck kommen kann. Aber Ärzte sind nicht von Haus aus qualifiziert zu Patientenverfügungen zu beraten, denn die wenigsten haben Erfahrung mit Sterbenden, auch weil Hausbesuche sich finanziell nicht mehr lohnen. Zudem hat der Gesetzgeber die Beratung zur Patientenverfügung nicht als kassenärztliche Leistung vorgesehen.
Mancher meint, sich von einem Anwalt oder Notar beraten lassen zu müssen, doch fehlt denen dazu meist die medizinische Qualifikation, sodass sie oft einen vorgefertigten Text benutzen und relativ hohe Gebühren verlangen.
Wer genau weiß, was er will, kann sich die passende Patientenverfügung aussuchen, doch dürfte den meisten dafür der Überblick fehlen, denn es gibt unzählige Anbieter. Sich aber mit dem ersten Formular, das einem begegnet, aus Unkenntnis zu begnügen, kann leidvolle Folgen haben. Glück im Unglück hat dann, wer sein Leid nicht mehr wahrnehmen kann, aber sehr schlimm ist es für die, die ihr Leid erfahren und ihren Willen nicht mehr zum Ausdruck bringen können.
Zum Vergleich hier vier sehr unterschiedliche Patientenverfügungs-Angebote:
Am 26.03.2018 fand eine Informationsveranstaltung zum Leid, sterben zu wollen unter Mitwirkung des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg, KdöR (HVD) in der Urania-Berlin statt. Zunächst wurde der Film „Frau S. will sterben“ gezeigt, eine Dokumentation über den Freitod des langjährigen HVD-Mitglieds Ingrid Sander.
Sie litt seit ihrem achten Lebensjahr an Kinderlähmung und hatte sich vor zehn Jahren an den Berliner Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold um Hilfe gewandt. Seine Zusage ihr notfalls beim Sterben zu helfen, motivierte sie noch zehn Jahre mit ihrer Behinderung und unter wachsenden Einschränkungen weiterzuleben. Kernaussagen von Frau Sander im Film »Ich muss mir die Quälerei bis zum Tod nicht antun. … Das ist ein Vernichtungsschmerz. Ich bin körperlich am Ende. Ich bin eine Ruine.« Sie wollte den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem sie ihrem Leben noch selbst ein Ende setzen konnte. Der ursprüngliche Plan wurde dann durch den § 217 StGB vereitelt, sodass sie ihren Sohn bat, wenn es für sie so weit sei, bei ihr zu sein und ihr beim Sterben zu helfen, was im Film dokumentiert wurde. Wie sie sich die nötigen Medikamente besorgt hatte, blieb offen. Bemerkenswert an dem Film war noch die Rede des Abgeordneten Peter Hintze im Bundestag bei der Aussprache zum Gesetzentwurf des § 217 StGB, wo er sagte: „Das Leiden im Sterben ist sinnlos! Kein Mensch muss einen Qualtod hinnehmen.“, was aber die Verabschiedung des Paragrafen nicht verhinderte.
Künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr (vor allem im Alter)
Im Anschluss an den Film hat die Medizinethikerin und Vertreterin des HVD Gita Neumann in einem Vortrag die rechtliche Situation der künstlichen Ernährung besonders im Alter erläutert. Dazu hat sie zwei Urteile vorgestellt.
Prinzipiell sieht sie das Sterbefasten als eine humane und gewaltfreie Option, sein Leiden zu begrenzen und dem eigenen Tod entgegen zu gehen an. Bei einem freiwillensfähigen Menschen kein Problem, denn grundsätzlich gilt, dass jeder ärztliche Eingriff einer Zustimmung bedarf, entweder vom Patienten selbst oder, wenn das nicht möglich ist, von einem legitimierten Vertreter. Aber auch die Fortsetzung einer lebenserhaltenden Maßnahme, wie z. B. einer künstlichen Ernährung, muss regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden. Die Fortführung ohne Indikation, also ohne Nutzen für den Patienten oder gar gegen seine frühere Willensäußerung, ist eine Körperverletzung. Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme, für welche es keine Einwilligung gibt, ist ärztlich geboten und keine „aktive Sterbehilfe“, wie durch ein BGH-Urteil vom 25.06.2010 bestätigt. Eine Fortführung ohne Indikation, wurde am 21.12.2017 vom OLG München in einem Musterprozess sogar als sinnlose Leidensverlängerung gewertet, obwohl kein Patientenwillen ermittelbar war. Der Arzt wurde zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 40.000 Euro an den Erben verurteilt.
Zur Aufzeichnung des Vortrags von Gita Neumann auf YouTube …
Künstliche Ernährung aus ärztlicher Sicht – Wohl, Wille oder Wehe?
Der Berliner Arzt Hartmut Klähn berichtete danach über künstliche Ernährung aus ärztlicher Sicht. Er begann mit einem Beispiel aus seiner Hausbesuchspraxis, wo bei einer Patientin ein piependes Ernährungspumpensystem darauf aufmerksam machte, dass die Nährflüssigkeit alle war. In dem Heim piepte es auch aus anderen Zimmern und die Suche nach einer Pflegeperson gestaltete sich mühsam. Er musste feststellten, dass in der Einrichtung eine einzige Fachkraft in der Nachtschicht für alle über vier Etagen verteilten Pflegebedürftigen zuständig war. Einzige Unterstützung war eine des deutschen nicht mächtige Hilfskraft.
Alte Menschen bekommen häufig eine PEG-Magensonde gelegt, wenn sie Nahrung nicht mehr auf natürliche Weise zu sich nehmen. Das kann sein, weil sie krankheitsbedingt nicht schlucken können oder der Sterbeprozess bereits begonnen hat, aber auch weil sie sterben wollen. Als Argument wird oft angeführt, man könne den Menschen doch nicht einfach sterben lassen, obwohl durch mehrere Studien belegt ist, dass gerade bei dementen Menschen, durch eine künstliche Ernährung weder Lebensqualität noch Lebensdauer verbessert werden. Die Unkenntnis dessen, sowie die Unsicherheit von Angehörigen wurde in der Vergangenheit ausgenutzt, um für nicht-einwilligungsfähige Patienten eine Zustimmung zum Legen einer PEG-Magensonde zu erhalten. Klähn beklagte, dass ökonomischer Druck oft handlungsleitend ist und so Leben und Sterben manipulierbar gemacht würden. So komme es, dass in Deutschland jährlich im Durchschnitt 150.000 PEG-Magensonden gelegt werden, ca. 70 Prozent davon ohne klare Indikation. Durch das Einstellen nicht indizierter Lebensverlängerung könnte das Personalproblem in der Pflege und die angespannte Kostensituation erheblich gelindert werden. Diesen Menschen sollte dann unter guter palliativer Betreuung erlaubt sein an ihrer Erkrankung natürlich zu versterben, so wie es früheren Generationen noch möglich war, weil lebenserhaltende Maßnahmen noch nicht so weit entwickelt waren. Er zitierte Dr. Michael de Ridder, der gesagt hat: „die Unfähigkeit und der Widerwille ernährt zu werden, sind als Beginn der finalen Entwicklung einer Erkrankung zu werten.“
Hartmut Klähn stellte den anwesenden Arzt Dr. Christoph Turowski vor, der gerade von einem Berliner Gericht vom Vorwurf der Sterbehilfe freigesprochen worden war.
Er hatte vor fünf Jahren einer Patientin, die seit über 20 Jahren an einer unheilbaren Darmkrankheit litt, seit 13 Jahren seine Patientin war, schon fünf misslungene Suizidversuche hinter sich hatte und damit drohte einen Schienensuizid zu begehen, auf ihren Wunsch ein hochpotentes Schlafmittel verschrieben. Sie teilte ihm dann per SMS mit, dass sie es eingenommen habe, woraufhin er sie mehrfach besuchte bis er nach drei Tagen ihren Tod feststellte. Trotz des Freispruchs muss der Arzt 25.000 Euro an Anwaltskosten aufbringen. Da die Staatsanwaltschaft in Revision gegangen ist und der Fall nun vom BGHBGHBundesgerichtshof behandelt werden muss, drohen ihm weitere ca. 40.000 Euro an Anwaltskosten. Wer ihn finanziell unterstützen möchte, kann ihm einen Solidarbeitrag auf sein Konto überweisen: Dr. Christoph Turowski, Postbank Berlin, IBAN DE67100100100643291124, Verwendungszweck: Prozesskosten Suizidhilfe
Im Folgenden beschrieb Hartmut Klähn Vor- und Nachteile einer PEG-Magensonde, wie die Indikationsstellung ermittelt und wie sie operativ angelegt wird. Ein Mangel an Pflegekräften sei niemals eine legitime Indikation. Auch wenn der Sterbeprozess bereits eingesetzt habe, verbiete sich künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr. Hunger ist kein Schmerz und legt sich bereits nach kurzer Zeit. Gegen Durst muss eine zugewandte und fachgerechte Mundpflege durchgeführt werden, eine Infusion dagegen kann Durst nicht lindern, aber zu zusätzlichen Beschwerden führen.
Abschließend gab er Tipps, wie die Begleitung eines Sterbefastens optimal durchgeführt werden kann und betonte, dass dabei alle Beteiligten verständnisvoll miteinander umgehen sollten. Er sieht im Sterbefasten eine Alternative zu gewaltsamen oder unsicheren Methoden. Nicht zuletzt hofft er auf die Abschaffung des § 217 StGB durch das Bundesverfassungsgericht, um die rechtliche Unsicherheit zu beseitigen und, damit sich die humane Seite des Arztes dann frei entfalten kann.
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Podiumsgespräch mit den Referent*innen und Olaf Sander
Das anschließende Podiumsgespräch wurde von Herrn Dr. Ebel von der Urania moderiert. Er berichtete von seiner Erfahrung mit seiner Mutter, wo er sich nicht in der Lage sah ihr bei ihrem Wunsch früher zu sterben zu helfen.
Olaf Sander erzählte dann, dass Sterben in seiner Familie kein Tabuthema war und sehr aufgeklärt damit umgegangen wurde. Daher empfahl er den Tod, zumindest für einige Menschen, als eine Erlösung vom Leid zu verstehen. Das Angehörige nach aktueller Rechtslage die Einzigen sind, die straflos beim Suizid helfen dürfen, obwohl sie in der Regel dafür in keiner Weise qualifiziert sind, hält er für eine Zumutung.
Gita Neumann wies dann darauf hin, dass viele nicht wissen würden, was in ihrer Patientenverfügung genau stünde und selbst wenn dort lebenserhaltende Maßnahmen abgelehnt würden, dass nicht durchschaut würde, in welchen Situationen dies erst gelten würde. Weiter erklärte sie, dass der § 217 StGB im Vorfeld eines Suizids zur Wirkung kommen würde und jene bedroht, die dazu aufklären würden, bzw. dafür Unterstützung bieten würden. Die palliative Begleitung eines Menschen, der bereits mit dem Fasten begonnen hätte, wäre davon aber ausgenommen.
Olaf Sander berichtete dann davon, was er bei den polizeilichen Ermittlungen erleben musste und empfahl dringend vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und sich dann einen guten Strafverteidiger zu suchen. Auf dem Polizeirevier wurde er dann damit konfrontiert, dass der Beamte den § 217, gegen den er verstoßen haben sollte, nicht im System eintragen konnte, weil er ein Jahr nach der Verabschiedung durch den Bundestag noch nicht zentral eingepflegt worden war. Ersatzweise wurde dann einfach der § 216 (Tötung auf Verlangen!) genommen. Zudem berichtete er, dass vom Notarzt, der seine Mutter nicht gekannt hatte, als Todesursache „schwere depressive Episode“ vermerkt worden war, obwohl es dafür keine äußeren Anzeichen gab. Abschließend gab Sander den Rat, dass alle Beteiligten miteinander reden und sich gegenseitig versuchen sollten zu verstehen.
Herr Ebel beschloss dann den Abend mit einem passenden Zitat von Carl Spitzweg:
Oft denk‘ ich an den Tod, den herben, und wie am End‘ ich’s ausmach‘: Ganz sanft im Schlafe möcht‘ ich sterben – und tot sein, wenn ich aufwach‘!
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