Gemeinsam aus dem Notstand
Auch im aktuellen BKK-Gesundheitsatlas ist zu lesen: »Bei den medizinischen Gesundheitsberufen sind es die Beschäftigten der Gesundheits- und Krankenpflege, die mit durchschnittlich 19,3 AU-Tagen je Beschäftigten die meisten Fehlzeiten aufweisen. Noch höhere Fehlzeiten finden sich bei den nichtmedizinischen Gesundheitsberufen unter den Beschäftigten der Altenpflege (24,1 AU-Tage). Die Fehlzeiten beider Berufsgruppen liegen deutlich über dem Bundesdurchschnittswert (16,1 AU-Tage).« Als Gründe für die Fehlzeiten stehen an allererster Stelle psychische Belastungen, gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Keine Berufsgruppe lässt sich häufiger und länger wegen psychischer Beanspruchung krankschreiben als Kranken- und Altenpflegekräfte. …
Aus durchschnittlich dreizehn Patienten, die am Tag von einer Pflegekraft versorgt werden müssen, werden nachts zum Teil doppelt so viele. Unvorstellbar? Leider nicht. Der Nachtdienst-Check von ver.di fand heraus, dass 64 Prozent der Pflegekräfte nachts alleine auf der Station sind und nur 36 Prozent mindestens zu zweit. Sofern die Pflegekraft alleine tätig war, musste sie im Durchschnitt 26 Patienten versorgen. Aber es geht auch noch schlimmer: »Auf 14 Prozent der Normalstationen ist eine Pflegefachkraft allein für 30 bis 39 Patientinnen und Patienten zuständig und auf 4 Prozent der Stationen versorgte eine Pflegefachkraft allein 40 und mehr Patientinnen und Patienten«, so ver.di.
… ZEIT ONLINE und das ARD-Fernsehmagazin Report Mainz befragten dazu 3000 Pflegekräfte. Antworten wie die folgenden waren dabei häufig zu hören: »Ich muss ständig mit dem Gefühl leben, dass ich den Menschen, die mir anvertraut sind, nicht gerecht werde. Ja, dass ich sie sogar gefährde, statt sie gesund zu machen.« Die Hektik bei der Arbeit, der Druck schnell und dabei gut zu arbeiten, löst, wie ich eingangs schon erwähnt habe, in einem die Sorge aus, einen Fehler zu begehen. Je weniger Zeit bleibt, alles genauestens zu überprüfen, wie etwa die richtige Medikamentendosierung, desto mehr steigt das Risiko, einen Fehler zu machen. Bei Medikamenten ist generell Vorsicht und eine hohe Wachsamkeit geboten. Besonders wenn es um das Verabreichen von Medikamenten über venöse Zugänge, wie zum Beispiel einen zentralen Venenkatheter geht, dessen Spitze direkt in der Hohlvene vor dem Herzen liegt, ist die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen deutlich erhöht. Bei kreislaufaktiven Medikamenten können leichte Fehldosierungen einen erheblichen Einfluss haben. Das ist auch entkoppelt vom Pflegenotstand der Fall, aber der Zeitdruck gibt der inneren Anspannung, der Befürchtung, mit so etwas im Ernstfall leben zu müssen, noch eine tiefere Dimension.
Jorde, Alexander: Kranke Pflege – Gemeinsam aus dem Notstand. Tropen.