Patientenverfügungen sind nicht für Notfallsituationen!

Mei­ne Patienten­verfügung soll dafür sor­gen, dass ich einst­mals an mei­ner Erkran­kung natür­lich ver­ster­ben kann. Damit dann kei­ne Ster­be­ver­hin­de­rung mehr ver­sucht wird, beschreibt sie kon­kret, in wel­chen Situa­tio­nen wel­che medi­zi­ni­schen Maß­nah­men zu unter­las­sen sind.

Natur­ge­mäß han­delt es sich bei den benann­ten Situa­tio­nen um kei­ne Not­fäl­le und auch kei­ne Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te, für die ich mich ent­schie­den habe, weil ich mir davon eine Ver­bes­se­rung mei­ner Situa­ti­on erhof­fe. Trotz­dem wer­den Pati­en­ten bei der Auf­nah­me in ein Kran­ken­haus nach ihrer Patienten­verfügung gefragt. Wenn es dabei nur dar­um gin­ge, ob eine vor­han­den ist und wer bevoll­mäch­tigt wur­de, wäre das ja noch in Ord­nung. Aber wenn die Patienten­verfügung vor­ge­legt wer­den soll und eine Kopie (manch­mal sogar das Ori­gi­nal) zu den Akten genom­men wird, geht es zu weit.

Wer zur Behand­lung in ein Kran­ken­haus geht, will noch leben. Wenn dann eine Not­fall­si­tua­ti­on ein­tritt, soll­te dem­nach zunächst alles ver­sucht wer­den, um den Pati­en­ten zu ret­ten. Dafür braucht es aber kei­ne Patienten­verfügung. Wenn die Ret­tungs­ver­su­che nicht zum erhoff­ten Ziel füh­ren, müs­sen Ärz­te nicht auto­ma­tisch nach einer Patienten­verfügung han­deln, denn meis­tens ist noch kei­ne der dort auf­ge­führ­ten Situa­tio­nen ein­ge­tre­ten. Viel wich­ti­ger ist es dann die Bevoll­mäch­tig­tenBevoll­mäch­tig­te Ein/​e Bevollmächtigte/​r ist eine vom Voll­macht­ge­ber beru­fe­ne Per­son, die in Ver­tre­tung der Voll­macht­ge­be­rin oder des Voll­macht­ge­bers ent­schei­den bzw. han­deln kann. zu infor­mie­ren, um mit deren Hil­fe den mut­maß­lich aktu­el­len Wil­len zu ermit­teln. Um den zu bele­gen, kön­nen die­se dann die Patienten­verfügung zu Rate zie­hen.

Die­se Vor­ge­hens­wei­se kann ein paar Tage benö­ti­gen, wür­de aber der Inten­ti­on des Ver­fü­gen­den in den meis­ten Fäl­len eher gerecht wer­den, als wenn Ärz­te selb­stän­dig auf­grund einer vor­lie­gen­den Patienten­verfügung han­deln wür­den. Das dürf­te in etwa die glei­che Zeit sein, die Ärz­te benö­ti­gen, um ihre Dia­gno­se zu sichern. Unbe­nom­men sind von die­sem Vor­ge­hen Situa­tio­nen, in denen es aus ärzt­li­cher Sicht kei­ne Indi­ka­ti­on gibt, lebens­er­hal­ten­de Maß­nah­men fort­zu­set­zen.

Also Kran­ken­haus­auf­nah­men: Nehmt kei­ne Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen zu den Akten, son­dern nur die Infor­ma­ti­on, ob es eine gibt und wie die Bevoll­mäch­tig­ten zu errei­chen sind. Fatal wäre näm­lich, wenn ein Pati­ent zwi­schen zwei Kran­ken­haus­auf­ent­hal­ten sei­ne Patienten­verfügung in wesent­li­chen Punk­ten aktua­li­siert hat, die­se bei einem spä­te­ren Besuch aber nicht dabei hat und nach einer ver­al­te­ten Ver­fü­gung gehan­delt wird.

Ganz anders ist es, wenn ich bereits in einer Pfle­ge­ein­rich­tung bin und eine Situa­ti­on erreicht ist, in der ich lie­ber an mei­ner Erkran­kung ver­ster­ben möch­te. Wenn mei­ne Patienten­verfügung dann Wie­der­be­le­bung, Kran­ken­haus­ein­wei­sung und/​oder das Rufen eines Not­arz­tes ver­bie­tet, dann müss­te das auch vom Pfle­ge­per­so­nal beach­tet wer­den, was aber lei­der häu­fig nicht pas­siert. Das kann dar­an lie­gen, dass die Patienten­verfügung zwar bei den Akten liegt, aber nicht bekannt ist. Es wäre Auf­ga­be des behan­deln­den Arz­tes die Pfle­ge­kräf­te in einer vor­aus­schau­en­den Not­fall­pla­nung auf die ein­ge­tre­te­ne Beacht­lich­keit der Patienten­verfügung hin­zu­wei­sen. Hier kön­nen aber auch Bevoll­mäch­tig­teBevoll­mäch­tig­te Ein/​e Bevollmächtigte/​r ist eine vom Voll­macht­ge­ber beru­fe­ne Per­son, die in Ver­tre­tung der Voll­macht­ge­be­rin oder des Voll­macht­ge­bers ent­schei­den bzw. han­deln kann. und Betreu­erBetreu­er Vom Betreu­ungs­ge­richt bestell­ter recht­li­cher Ver­tre­ter; in der Regel Berufs­be­treu­er, die für Ihre Arbeit bezahlt wer­den. wich­ti­ge Hil­fe leis­ten und den Arzt um die Not­fall­pla­nung bit­ten und Pfle­ge­dienst­lei­tung und Pfle­ge­kräf­te auf mei­nen doku­men­tier­ten Wil­len hin­wei­sen.

Autor: Frank Spa­de, Ster­be­be­glei­ter und huma­nis­ti­scher Bera­ter zu Patienten­verfügung, Vorsorge und Selbst­be­stim­mung am Lebens­en­de, hält auch Vor­trä­ge zum The­ma

Zehn Jahre Patientenverfügung

Bewährt oder überholungsbedürftig? Von Dr. med. Horst Gross

Zehn Jah­re nach Ein­füh­rung der Patienten­verfügung ist vie­len Deut­schen unklar, wie sie recht­lich gül­tig ihren Wil­len über das eige­ne Ster­ben for­mu­lie­ren soll­ten. So kommt es immer wie­der vor, dass Kli­ni­ken und Pfle­ge­diens­te schrift­lich fixier­te Wün­sche von bewusst­lo­sen Pati­en­ten umge­hen. Eine Hor­ror­vor­stel­lung für vie­le. Der Bun­des­ge­richts­hof hat des­halb im April betont, dass vage for­mu­lier­te Ver­fü­gun­gen ihre Gül­tig­keit ver­lie­ren. Kön­nen kom­mer­zi­el­le Anbie­ter in die­ser ver­wir­ren­den Situa­ti­on hel­fen? Oder reicht die kos­ten­lo­se Mus­ter­ver­fü­gung aus dem Netz und das ver­trau­ens­vol­le Haus­arzt-Gespräch? 

Am Mitt­woch, dem 28.08.2019 um 8:30 Uhr wur­de im Hör­funk­pro­gramm des SWR2 die­ser Bei­trag u. a. mit einem Inter­view mit Frank Spa­de gesen­det. Der Bei­trag ist als Pod­cast hier zu fin­den …

Wie Krankenkassen beim Betrug in der Pflege zusehen

Sys­te­ma­tisch neh­men Betrü­ger das deut­sche Pfle­ge­sys­tem aus – zulas­ten der Bei­trags­zah­ler. Ein inter­ner Bericht aus dem Gesund­heits­we­sen zeigt nun, dass vie­le Kran­ken­ver­si­che­run­gen die Abzo­cke ein­fach gesche­hen las­sen. Wei­ter­le­sen … Wie Kran­ken­kas­sen beim Betrug in der Pfle­ge zuse­hen

Sys­te­ma­tisch neh­men Betrü­ger das deut­sche Pfle­ge­sys­tem aus – zulas­ten der Bei­trags­zah­ler. Ein inter­ner Bericht aus dem Gesund­heits­we­sen zeigt, dass vie­le Kran­ken­ver­si­che­run­gen die Abzo­cke ein­fach gesche­hen las­sen.

Die Pfle­ge­bran­che ent­wi­ckelt sich zum Para­dies für Betrü­ger. Fal­sche Abrech­nun­gen neh­men dra­ma­tisch zu. In der Ver­gan­gen­heit ent­stan­den noch beim Betrug mit Arz­nei­mit­teln, der größ­te Scha­den. Vie­le Kran­ken­kas­sen haben kaum etwas dage­gen getan, weil die Ermitt­lun­gen sehr auf­wän­dig sind.

Kri­mi­no­lo­gen schät­zen, dass durch Betrug fünf bis zehn Pro­zent im Gesund­heits­we­sen abge­zockt wer­den. Schon zehn Jah­re zuvor hat­te der Bun­des­rech­nungs­hof eine enge­re Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Kas­sen und dem MDK gefor­dert, um wirk­sa­mer Fehl­ver­hal­ten bekämp­fen zu kön­nen.

Quel­le: SPIEGEL ONLINE vom 16.10.2018

Durch Übertherapie sterben wir schlechter und früher

In der Serie geht es um die Fra­ge: Wel­che Rol­le das Ster­ben im Leben und in der Gesell­schaft ein­nimmt. Zu viel Behand­lung macht den Tod qual­vol­ler als nötig. Vor­zu­zie­hen wäre im Ster­ben pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­sche Betreu­ung, die sich stär­ker um die Bedürf­nis­se und Sym­pto­me von Men­schen küm­mert, als um ihre Krank­hei­ten. Wei­ter­le­sen … Durch Über­the­ra­pie ster­ben wir schlech­ter und frü­her

In der ZEIT-Online Serie »Der Tod ist groß« wird der ange­se­he­ne Pal­lia­tiv­me­di­zi­nerPal­lia­tiv­me­di­zi­ni­sche Betreu­ung In der pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­schen Betreu­ung geht es um die Ver­sor­gung von Men­schen mit unheil­ba­ren und weit fort­ge­schrit­te­nen Erkran­kun­gen sowie begrenz­ter Lebens­er­war­tung. Vor­rang haben dabei die Lin­de­rung von Beschwer­den und die Stei­ge­rung der Lebens­qua­li­tät. Ärz­te kön­nen dafür Zusatz­aus­bil­dun­gen absol­vie­re und sich dann Pal­lia­tiv­me­di­zi­ner nen­nen. Gian-Dome­ni­co Bora­zio inter­viewt.

In der Serie geht es um die Fra­ge: Wel­che Rol­le das Ster­ben im Leben und in der Gesell­schaft ein­nimmt. Zu viel Behand­lung macht den Tod qual­vol­ler als nötig. Vor­zu­zie­hen wäre im Ster­ben pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­sche Betreu­ungPal­lia­tiv­me­di­zi­ni­sche Betreu­ung In der pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­schen Betreu­ung geht es um die Ver­sor­gung von Men­schen mit unheil­ba­ren und weit fort­ge­schrit­te­nen Erkran­kun­gen sowie begrenz­ter Lebens­er­war­tung. Vor­rang haben dabei die Lin­de­rung von Beschwer­den und die Stei­ge­rung der Lebens­qua­li­tät. Ärz­te kön­nen dafür Zusatz­aus­bil­dun­gen absol­vie­re und sich dann Pal­lia­tiv­me­di­zi­ner nen­nen. , die sich stär­ker um die Bedürf­nis­se und Sym­pto­me von Men­schen küm­mert, als um ihre Krank­hei­ten. Erstaun­li­cher­wei­se wirkt gute Pal­lia­tiv­me­di­zin sogar leben­ver­län­gernd. In einer Stu­die in den USA hat­ten die Pal­lia­tiv­pa­ti­en­ten eine bes­se­re Lebens­qua­li­tät, waren weni­ger depres­siv, beka­men weni­ger Che­mo­the­ra­pie und leb­ten im Schnitt drei Mona­te län­ger. Vie­le Krebs­pa­ti­en­ten bekom­men am Lebens­en­de The­ra­pien, Che­mo­the­ra­pien oder Bestrah­lun­gen, die sie eigent­lich nicht mehr ver­tra­gen. Durch sol­che Über­the­ra­pie ster­ben sie nicht nur schlech­ter, son­dern auch frü­her. Wenn wir die Wahl zwi­schen zwei Extre­men haben, ist es am Lebens­en­de ein­deu­tig bes­ser, unter­ver­sorgt als über­ver­sorgt zu sein! Men­schen soll­ten im All­ge­mei­nen und auch am Lebens­en­de, mög­lichst wenig in Kran­ken­häu­sern sein.

Pal­lia­tiv­me­di­zi­ner sind die Umsatz­kil­ler schlecht­hin, weil sie am Lebens­en­de, also dort, wo die Gesund­heits­in­dus­trie am meis­ten absahnt, die unbe­que­me Fra­ge stel­len, ob immer alles sinn­voll ist, nur weil es mach­bar ist. Aber die Lob­by­is­ten sind sehr mäch­tig. Sie ver­su­chen die Pal­lia­tiv­me­di­zin zu domes­ti­zie­ren und sie letzt­lich zu einem wei­te­ren phar­ma­freund­li­chen, schmerz­mit­tel­ver­schrei­ben­den Fach zu machen.

Quel­le: ZEIT-Online vom 02.04.2018